Fehlstellen im Kalender

Da ist es fast ein Jahr her seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe und irgendwie ist das Jahr ja auch eine einzige große Lehrstelle. Unser aller Leben haben sich verändert seit dem 13. März 2020. Ich hatte verdammt viel vor, ja fast zu viel. Und dann kam dieses Virus.

Der Plan:

Es waren 3 Festivals geplant, zwei große Wandertouren, Dutzende Konzerte und ein Interrail-Trip durch Osteuropa. Ich war für einen Ultra und einen Marathon gemeldet. Und am Ende des Jahres wollten wir wieder unseren Winterurlaub auf dem Congress verbringen. Passiert ist davon nichts. Das klingt schlimmer als es tatsächlich ist.

Die Umsetzung:

Statt auf Festivals zu gehen habe ich meinen Garten neu angelegt und eine Terrasse gebaut. Stand große Wandertouren waren es viele kleine Wanderungen hier in der Gegend und tatsächlich war ich dann noch eine Woche in meinem geliebten Steinernen Meer und habe dort den Hochkönig überschritten. Auf Konzerten war ich im ganzen Jahr auf dreien. Im Februar bei ein paar local Bands hier in einem Kellerclub. Die Erinnerungen an den Abend verblassen im Rausch, dem wahrscheinlich letzten Rausch seit einem Jahr. Zum Abschluss, bevor die Lage ernst wurde sah ich noch Sun Worship in Nürnberg. Zu diesem Zeitpunkt beherrschte Corona schon die Medien und eigentlich war jedem klar, dass da etwas auf uns zukommt. Was es war konnten wir alle noch rein gar nicht abschätzen. Aber ich erinnere mich, dass ich mich an dem Abend schon komisch fühlte unter so vielen Menschen in einem geschlossenen, schwitzigen, heißen engen Raum zu sein und mit geschloßenen Augen in der Musik zu versinken. Im Hochsommer als teilweise einstellige Infektionszahlen waren war ich in Thüringen auf einem Neofolk OpenAir. Ein bisschen wie Metadon im Vergleich zu meinen Planen das Voidfest und das House of the Holy zu besuchen. Aus dem Interrail wurde eine Zugreise nach Venedig. Die wunderschön und besonders war. Weil eigentlich keiner von uns mehr damit gerechnet hat dieses Jahr noch einen richtigen Urlaub zu machen. Plötzlich war es etwas besonderes meine Füsse in den Strand der Adria zu vergraben und einfach mal eine andere Luft zu atmen. Anscheinend hat das Jahr auch gezeigt, dass das was wir mal als gewöhnlich und fad empfunden haben auch besonders sein kann, wenn es wieder rar wird. Wettkampf bin ich keinen einzigen gelaufen und es fehlt mir weniger als ich dachte. Ich bin kaum lange gelaufen, aber viel. Ich habe 2020 die meisten Läufe und auch die meisten Kilometer in einem Jahr seit ich laufe. Zu guter Letzt der Congress. Wir waren zwar nicht in Leipzig, aber auf dem Congress waren wir trotzdem. Der fand zwar nicht statt, aber irgendwie wie doch. Statt dem 37c3 luden uns der Chaos Computer Club ein eine Remote Chaos Experience, kurz rc3, zu erleben.

Für mich endete das Jahr versöhnlich. Das ganze Jahr war für mich versöhnlich. Ja ich habe mich so sehr über andere Menschen geärgert wie noch nie zuvor. Aber ich hatte tolle Abende mit Freunden und meiner Familie in meinem Garten. Ich hatte tolle Urlaube, die ohne Probleme und Überschreitung von Coronaregeln funktioniert haben. Ich habe mir so viele positive Dinge angewöhnt, dass ich mit meinem Leben so zufrieden bin wie niemals zuvor. Ich war kreativ wie niemals vorher und habe so viele Bücher, Zeitungen und Magazine gelesen. Ich habe Musik aufgenommen, die aus meinem innersten kam und ich habe andere Menschen damit berührt.

Andererseits bin ich mir bewusst, dass für viele Menschen dieses Jahr das härteste war, das man sich vorstellen kann und auch 2021 nicht so rosig anfängt. Ich bin mir bewusst, dass ich durch meine sichere Arbeit, das umfangreiche Homeoffice und den eigenen Garten privilegiert bin. Nach all den Jahren in denen ich unsicher war ob meine Lebensentscheidungen sich niederzulassen, Schulden aufzunehmen und mich dadurch für Jahre an Arbeit und einen Wohnort zu binden. Lange hab ich es fast täglich bereut mich so sehr commited zu haben. Nie hat es sich mehr ausgezahlt als in diesem Jahr. Auch dadurch ruhe ich in mir selbst. Es tut gut zu wissen, dass man im Leben nicht immer falsch abgebogen ist.